Sonntag, 23. August 2015

******* Projekt vorerst auf Eis!!! **********

Liebe Leser!

Euch dürfte es aufgefallen sein, dass ich seit sicher einem Jahr nichts mehr zu diesem Blog beigetragen habe. Verschiedene Gründe gibt es, die ich nicht weiter ausführen muss. Jedenfalls habe ich beschlossen, das Projekt Drowning Beauty erstmal aufs Eis zu legen. Das heißt jedoch nicht, dass es niemals wieder aufgegriffen wird. Ich habe immer noch Bock auf die Story, aber oft zu wenig Zeit und Inspiration. Momentan bin ich eher bei Wattpad zu finden und habe schon etwas zu schreiben angefangen, auf das ich viel mehr Lust habe und dem ich mich viel mehr widme.

Hier der Link zu meinem Wattpad-Profil:ParadoxMyru

Es wäre möglich, dass ich nach meinem Drama "Intrige" auch mal wieder Drowning Beauty weiterschreibe, aber das würde ich dann eher auf der Wattpadseite machen.

Viel Vergnügen trotzdem noch!

VG,

Myru

Mittwoch, 26. März 2014

Sidestory: Patrice Part 1

(Kleine Notiz am Rande: Dieses Kapitel ist kein normales Kapitel und kann unabhängig von der Hauptstory gelesen werden. Nähere Infos im Newsfeed .)

Ich rannte. Ich rannte durch Menschenmengen. Sie verfolgten mich. Sie? Ich weiß gar nicht wer das war. Es waren immer ganz andere Gestalten. Ich hatte ein langes weißes Kleid an, meine langen braunen Haare wehten nach hinten. das Kleid sah fast aus wie ein Brautkleid. Ich hatte es hochgezogen, damit ich schneller rennen konnte. Ich war barfuß. Der Boden war hart und körnig. Dreckig.
Ich rannte. Und rannte. Durch das Labyrinth von Menschen und Straßen. Ich hörte wie sie alle redeten. So laut. Einige zeigten auf mich. Aber wirklich verstehen konnte ich nichts.
Es war fast wie ein Surren.
Ich lief in eine Gasse. Ich wusste, dass ich da nicht reinlaufen sollte, aber ich tat es immer wieder. Eine Sackgasse. Ich hörte die wütenden Rufe hinter mir. Ich drehte mich um. Die Meute. Ich rannte in die Sackgasse. Ich presste mich an die Wand. Als ob ich verschwinden könnte. Ich zitterte. Mein Herz raste. Plötzlich berührte mich jemand an der Hand. Ich sah nach links. Ein Junge, etwa in meinem Alter lächelte mich an. Es wirkte beruhigend, wenn auch irgendwie seltsam. Wie war er dorthin gekommen? Er war einen Kopf größer als ich und hatte hellbraune Haare. Seine dunkelbraunen Augen wirkten warm und doch irgendwie weit entfernt. Ich fragte mich wohl wer das war? Ich sah ihn jedes Mal, wenn ich in diese Gasse kam.
Ich sah nur noch ihn an. Ich hörte wie meine Verfolger uns bedrängten. Ich hielt seine Hand. Er war der einzige, der mich davor retten konnte...

Ich wachte auf. Mein Handywecker spielte ein nerviges Lied von den Charts, das ich mir extra dafür heruntergeladen hatte. Ich schaltete es so schnell es ging aus. Ich saß aufrecht in meinem Bett, ohne dass ich es mir bewusst war. Ich fuhr mir durch meine Haare. Dann stand ich auf. Es war der erste Tag nach den Ferien. Jedenfalls in diesem Bundesland. Mein Zimmer war noch nicht ganz eingerichtet. Ich war gerade erst hergezogen. Aber immerhin war es in einem hübschen Grün gestrichen und hatte bereits einen Kleiderschrank, der aber noch nicht ganz eingeräumt war. Am Kleiderschrank war ein großer Spiegel angebracht. Der Schrank stand beinahe direkt vor meinem Bett. Und mein Bett war ein schönes großes Bett mit weicher Matratze. Yvonne hatte sich wirklich selbst übertroffen. Sie hatte sich alles gemerkt, was ich ihr alles erzählt hatte. Dass hellgrün meine Lieblingsfarbe war. Dass ich gerne in einem relativ großem Bett schlafe und am liebsten weiche Matratzen hätte.
Und direkt an meinem Schlafzimmer war ein kleines Badezimmer mit einer Dusche. Für mich. An dem Morgen duschte ich ausgiebig. Es war immerhin mein erster Tag an der neuen Schule. Auch wenn ich mich so sehr auch nicht darauf freute. Neue Mitschüler. Neue Umgebung. Es könnte ein schöner Neustart sein. Aber es könnte auch schlimmer sein als früher.
Es sollte warm werden, hatte ich gehört, deshalb zog ich einen kurzen Rock an und ein schwarzes Top an. Außerdem noch eine Jeansjacke darüber. So konnte ich immerhin meine hässlichen Narben verdecken, die sich vor allem auf meinen Oberarmen zeigten. Außerdem trug ich mehrere Armreifen und Armbänder. Mir war klar, dass ich damit aussah wie eine typische Tussi. Aber das war mir ausnahmsweise mal egal.
Ich besah mich im Spiegel mit meinem Outfit.
Ich bin hübsch, genauso wie ich bin, redete ich mir ein. Ich strich mir über meine langen braunen Haare. Sie sind leicht gelockt. Manchmal hätte ich gerne glattere Haare, weil sie dann nicht so sehr abstehen würden. Aber wenn ich mir meine Haare glättete sah es irgendwie nicht wirklich nach mir aus.
Meine Augen waren verschiedenfarbig. Eines war braun, das andere war grün. Früher hatte ich Kontaktlinsen getragen. Um irgendwelche Kommentare zu vermeiden. Ich fand es außerdem nicht so hübsch. Es wirkte so... unsymmetrisch. Einfach seltsam.
Aber egal. Wenn ich einen Neustart wollte, sollte ich immerhin versuchen ich selbst zu sein.
Ich war jetzt siebzehn. Am Tag zuvor war mein Geburtstag gewesen. Und nun kam ich in die elfte Klasse. Oberstufe. Was auch immer. Ich wusste nicht, ob ich darüber glücklich sein sollte oder nervös. Ich wusste einfach nicht, wie man mit Menschen umgehen sollte. Sie waren einfach so heuchlerisch. Und wenn ich auf dem ersten Blick weiß, was sie wirklich von mir wollten ist es einfach wirklich enttäuschend.
Ich ging nach unten in die Küche. Yvonne hatte bereits Frühstück vorbereitet. Mittlerweile kannte ich sie schon fünf Jahre lang und vor drei Jahren hatte sie sich zur Aufgabe gemacht mich bei ihr aufzunehmen und zu adoptieren. Der Prozess war wirklich nicht gerade einfach gewesen. Es war ein ständiges hin und her gewesen mit meinen Eltern und der Bürokratie. Es war ja nicht mal so, dass ich ihnen was bedeutet hätte, aber ich war trotzdem ihre Tochter gewesen und somit immerhin etwas, das zu ihnen gehörte. Wie ein Schmuckstück. Ein Gegenstand.
Egal, ich soll mich nicht um die Vergangenheit kümmern. Jetzt gehörte ich offiziell zu Yvonne. Seit etwa einem Jahr. Nur jetzt durfte ich endlich bei ihr wohnen. Die Klinik war zwar teilweise okay, weil einige Menschen dort cool waren, aber es war nicht dasselbe wie ein normales Leben zu führen. Ich bin froh jetzt nur noch bei Yvonne und ihrem Freund Maik zu wohnen.
"Bist du sicher, dass ich dich nicht zur Schule bringen soll?", fragte Yvonne, während ich mir Cornflakes in meine Schüssel tat. "Ja, ich weiß wo das ist", antwortete ich und goss mir Milch ein, "ich werde mich nicht verlaufen oder irgendwelchen Unsinn bauen." Yvonne nickte etwas besorgt und biss von ihrem Marmeladenbrot ab. "Dann ist gut", murmelte sie, "wann hast du Schulschluss?" - "Um zwei. Danach hab ich Therapie. Um vier."
Yvonne nickte nochmals. "Okay. Also ich werde heute bis halb sechs arbeiten. Maik kommt schon um halb vier nach Hause. Du darfst gerne außerhalb essen, hier ne Pizza bestellen oder kochen. Einkaufsgeld ist in der Keksdose, falls du was brauchst." Ich winkte ab. "Ich werde in der Schule was essen. Passt schon."
"Okay."
Ich lief nach dem Frühstück direkt los. Die Sonne blendete bereits, also zog ich mir meine Sonnenbrille an. Ich hatte schon immer einen guten Orientierungssinn. Was wohl daran lag, dass ich früher ständig durch die Stadt gestreift war und mir angewöhnte jeden Winkel zu merken.
Zur Schule war es mit dem Fahrrad keine zehn Minuten entfernt, aber noch besaß ich keins. Außerdem konnte ich zu Fuß viel mehr Einzelheiten der Stadt merken. Und so weit war die Schule wirklich nicht entfernt. Ich sah bereits viele Schüler, die allein oder in Gruppen, auf dem Fahrrad oder zu Fuß an mir vorbei gingen oder fuhren. Ich holte einen Zettel aus meiner Tasche, einen Gebäudeplan der Schule. Den Direktor hatte ich vor paar Monaten schon kennengelernt und er hatte mir dann einige Informationen per Post geschickt. Darunter auch mein Stundenplan, den die anderen Schüler erst heute bekommen sollten. Der Direktor war ganz nett. Ich hoffte, dass es mir an der Schule besser ergehen würde als früher.
Und dann stand ich da. Der kleine Hof, das große Tor, die etwas älteren Gebäude aus gelben Stein. Der Hof verlief seitlich und man konnte etwas weiter weg einen kleinen Sportplatz sehen. 550 Schüler sollte die Schule in etwa haben. Da war das Hauptgebäude, das ziemlich hoch ragte und ein Nebengebäude, das sich rechts schräg gegenüber befand.
Ich musste in den Physikraum, der sich irgendwo im Hauptgebäude befinden sollte. Raum 140. Ich vermutete, dass der Raum irgendwo im ersten Stock war. Also betrat ich das Hauptgebäude und ging mit einem Blick auf den Gebäudeplan in den ersten Stock. Ich fand recht schnell den Raum, er war sehr nah am Treppenhaus. Schon vom Weitem hörte ich sie. Sie redeten über die Ferien, über Schule... alles mögliche.
Ich wurde nervös. Mein Herz pochte laut. Wie würden die alle sein? Ich hatte solche Angst davor, dass sie mich hassen würden. Und gleichzeitig... Ich schluckte. Ich musste da durch und ich hoffte, dass es nicht so schnell auffällig werden würde, dass ich fast zwei Jahre älter war als der Rest.
Ich betrat den Raum und ziemlich schnell wurde es ruhig im Raum. Alle starrten mich an. Neugierig, perplex. Ich ballte meine Hände zu Fäusten um mir nicht anmerken zu lassen, dass ich zitterte.
Die Schüler in dem Raum sahen alle sehr nett aus, weniger oberflächlich als die Leute, die ich von der alten Schule gewohnt war. Es waren zum Teil die typischen "Nerds" die ich im Physikleistungskurs erwarten würde. Teilweise einfach ganz normale Schüler, die intelligent, aber nicht wie totale Streber wirkten. Ich nahm tief Luft und schluckte. Sie starrten mich immer noch an. Es wurde mir unangenehm.
Was soll ich nur sagen? Ich sollte mich vorstellen oder? Vielleicht sollte ich witzig sein? Oder lieber schüchtern und natürlich?
Aber wenn man es genau nimmt passte "schüchtern und natürlich" nicht gerade zu mir. Vor einer geraumen Zeit war ich nach außen hin nämlich so ziemlich das Gegenteil. Ich wusste, dass diese Fassade falsch war, aber es war einfacher, als ich selbst zu sein... Ich selbst... wer war ich schon?
So viele Gedanken kreisten in meinem Kopf bis ich plötzlich irgendetwas sagte, ohne darüber wirklich nachzudenken.
"Hi, ich bin Patrice. Wenn ihr noch nie ein Mädchen gesehen habt macht doch ein scheiß Foto von mir!"
Was zum Henker hatte ich da gerade gesagt? Ein leises verlegenes Murmeln machte sich breit, bis sich die ersten wieder ihren Freunden zuwanden und tuschelten und reden. "Was will die denn?" - "Zicke?" - "Oh Mann..."
Verdammt! Das musste der schlimmste erste Eindruck gewesen sein, den ich hätte machen können. Aber jetzt gab's kein Zurück. Nur kurz danach, während ich immer noch unschlüssig in dem Raum stand kam plötzlich ein glatzköpfiger Lehrer herein. Alle nahmen ihre Plätze ein. Ich blickte mich kurz suchend um und fand dann schließlich neben einem asiatisch aussehendem Mädchen Platz, die allerdings etwas ablehnend wirkte, als ich mich setzte. Es waren insgesamt noch einige Plätze frei, aber sie war die einzige ohne Sitznachbarn, weshalb ich mich einfach zu ihr sitzte. Ich wollte nicht den Eindruck vermitteln, dass ich antisozial und arrogant war, indem ich mich an einem Einzeplatz setzte.
"Hi", sagte sie zu mir. "Hi", nuschelte ich zurück. Der Lehrer schrieb seinen Namen an die Tafel und lehnte sich an das große Lehrerpult. Er hieß Herr M. Anders (laut meinen sonstigen Unterlagen hieß er mit Vornamen Mathias) und lehrte Physik und Geographie. Er wollte gerade die Anwesenheit kontrollieren, da stürmten noch zwei Jungs in den Raum. Außer Atem grinsend entschuldigten sie sich bei dem Lehrer und setzten sich an den Tisch rechts vor mir. "Patrice August." Ich meldete mich schweigsam und ließ meinen Blick schweifen. Mein Blick wanderte zu den zwei Zu-Spät-Kommern. Ein hübscher blonder Junge in einem grau-gestreiftem T-Shirt und ein braunhaariger Junge, dessen Gesicht ich zuerst nicht wirklich sah.
Gerade wollte ich meinen Blick abwenden, da sah der Junge mit den hellbraunen Haaren in meine Richtung. nettes Gesicht, schwarzes Shirt, warme dunkelbraune Augen. Ich starrte ihn an. Er sah nicht zu mir, sondern zu dem Mädchen neben mir, aber irgendetwas an ihm löste etwas in mir aus, das sich wie tausend elektrische Schläge anfühlte. Etwas, das mir bei ihm sofort vertraut vorkam. Als ob ich ihn schon seit Jahren kennen würde.
Zuerst wusste ich nicht, was es war. Er war ein normaler Junge mit einem Allerweltsgesicht. Unscheinbar. Aber ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren.
Und plötzlich wusste ich, woher ich ihn kannte...

Ein Junge, etwa in meinem Alter lächelte mich an. Es wirkte beruhigend, wenn auch irgendwie seltsam. Er war einen Kopf größer als ich und hatte hellbraune Haare. Seine dunkelbraunen Augen wirkten warm und doch irgendwie weit entfernt. 
Diese Augen..
Jene Augen, die ich unter allen Augen wieder erkennen würde. Weil sie einen bestimmten Bann auf mich auszuüben schienen...

Der Junge blinzelte und sah einen Moment zu mir. Unsere Blicke trafen sich und seine Augen weiteten sich überrascht. Er sah mich an und lächelte.
"Thomas Braun", rief der Lehrer auf. Er wandte sich von mir ab und meldete sich. "Hier."
Und ich merkte, dass ich auf einmal ruhig war. Mein Zittern nicht unterdrücken musste, sondern einfach ruhig war. Ich zwang mich meinen Blick woanders zu richten.
Er hieß also Thomas. Und er existierte. Er war es! Der Junge in meinem Traum! Er!
Thomas...
Er existierte wirklich...?

Freitag, 4. Oktober 2013

Kapitel 9: Schlinge

Das Mädchen mit den langen blonden Haaren hatte diesmal keine Zöpfe. Trotzdem erkannte ich es sofort. Sie trug das selbe weiße Kleid. Und vor allem: Es war der selbe Gesichtsausdruck. Die selben dunkelgrünen Augen. Doch diesmal rannte sie nicht vor mir weg. Sie starrte mich nur an. Unverwandt. Etwas Kalt und doch auf eine seltsame Art und Weise belustigt. Mir fiel auf, dass ihre dunkelgrünen Augen eigentlich gar nicht so grün waren. Es war eher eine Mischung zwischen grün und blau. Sie schien mir etwas sagen zu wollen und hatte den Mund leicht geöffnet. Doch sie sagte nichts, sondern lächelte mich nur an. Doch das Lächeln reichte nicht bis zu ihren Augen. Es war eher ein leeres Lächeln. Sie sah aus wie eine traurige Puppe. Wie alt sie wohl war? Sie könnte genauso alt sein wie ich, aber genauso gut etwas älter oder ein zwei Jahre jünger als ich. Ich starrte sie nur an und konnte auf nichts anderes achten. Ich wollte sie etwas fragen, doch ich wusste nicht was.
Plötzlich fiel mir etwas auf. Um ihren Hals war eine lose Schlinge. Ich folgte mit dem Blick dem Lauf des Seiles und sah, dass das Seil bis zum Boden reichte und weit irgendwo hin führte. Ich sah das Ende nicht. Ich sah ihr wieder ins Gesicht. Das Mädchen lachte. Plötzlich holte sie ewtwas aus ihrer kleinen ledernen Tasche die über ihre Schulter hing und ich erst jetzt bemerkte. Es war ein alter Handspiegel. Ein silberner mit hübschen Verzierungen. Sie hielt mir den Spiegel vor das Gesicht. Mein Spiegelbild trug ebenfalls eine lose Schlinge um den Hals. Ich tastete vorsichtig an meinem Hals und spürte das grobe Seil. Es war schwer. Und führte bestimmt auch ins Endlose.

Das Mädchen kicherte. Ich sah sie an. "Es wird nicht mehr so lange dauern", sagte sie. Ich starrte sie verwirrt an. "Lange dauern... was wird nicht mehr so lange dauern?", fragte ich sie. Doch sie drehte sich plötzlich um. Wie das letzte mal entfernte sie sich von mir. Nur leise vernahm ich eine Art bitteres letztes Flüstern von ihr. "Es wird nicht mehr so lange dauern, dann bist du auch so verloren wie ich."


Ich hörte eine Stimme, ganz weit entfernt. Eine vertraute Stimme. Eine beruhigende Stimme.
Ich fühlte, wie jemand mich im Arm hielt. Es war warm. Angenehm.
Und ein Mädchen, das nach meinem Namen rief. Nicht nur ein Mädchen. Es war auch die beruhigende männliche Stimme.
"Anzu! Anzu!!"
"Beruhige dich Anzu!"
Bestimmt schrien die Stimmen, aber sie kamen mir so vor, als würden sie flüstern. Beruhigend auf mich flüstern. So als wäre ich in einem See und sie wären an der Oberfläche.

Ich wurde ruhig. Plötzlich registrierte ich auch andere Sachen. Dass ich langsam gleichmäßiger atmete, dass mir eine Papiertüte an Nase und Mund gehalten wurde. Die sich langsam auf und ab bewegte. Ich fand es schon immer irgendwie lustig, wie sich die Papiertüte bewegte, wenn ich da rein atmete. Jedenfalls als ich gelernt hatte sie zu benutzen. Danach hatte ich es weniger lustig gefunden, wenn ich sie brauchte.
Ich merkte, dass Tom mich fest in seinen Armen hatte. Und dass Sina neben ihm saß und meine Hand hielt. Sie wimmerte ein bisschen. Ich öffnete langsam die Augen. Ich blinzelte, bevor ich wirklich wahrnehmen konnte, wer und was vor mir war.
Patrice und Niels standen wie erstarrt neben Sina und Annika. Ich war im Eingangsbereich des Ferienhauses.
Ich bewegte mich etwas. Ich fühlte mich etwas steif. Ob sie schon einen Notarzt gerufen hatten oder ähnliches?
Ich hoffte es nicht, denn es war zwar eine Weile her, seit ich das letzte Mal wirklich zusammengebrochen war, aber ich konnte damit umgehen. Ich fragte mich, was passiert wäre, wenn sie mich nicht so schnell bemerkt hätten. Ich schauderte leicht.

Ich atmete tief und ruhig durch. Dann bewegte ich meine Arme etwas hoch, um zu signalisieren, dass alles wieder gut war. Tom nahm vorsichtig die Papiertüte von meinem Gesicht und umarmte mich fest. "Gott sei dank Anzu! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!" Ich drückte mich an ihn. Diese guttuende Wärme. Ich schloss für einen Augenblick die Augen und ließ mich schließlich von ihm ab. Sinas Augen waren etwas feucht, aber sie würde niemals behaupten, dass sie kurz davor war zu weinen. Jemand umarmte mich von hinten. Patrice.
"Es tut mir so leid", flüsterte sie und ich merkte, dass ihre Stimme zitterte. Ich nahm ihre Hand. "Schon gut, Pat", brachte ich hervor. Sie löste sich von mir und ich bemerkte, dass sie ziemlich zitterte und Tränen in den Augen hatte. Niels nahm sie in den Arm.
Die Stimmung wirkte einerseits so erleichtert und doch so angespannt. Ich lächelte leicht. "Leute... beruhigt euch wieder, mir geht's okay." Alle nickten und wir setzten uns alle wieder ins Wohnzimmer hin.
"Hat einer von euch den Notarzt gerufen?", fragte ich in die Runde des Schweigens. Annika schüttelte den Kopf. "Noch nicht, aber ich war kurz davor."
Ich nickte. "Okay. Braucht ihr nicht. Mir geht's gut."
Schweigen. Tom hielt mich dicht bei sich, als hätte er Angst mich wieder los zu lassen. Sina schien noch einigermaßen gelassen zu sein. "Ich... bei der Klassenreise hattest du ja auch etwas ähnliches", murmelte sie. Trotzdem sah man ihr an, dass sie sich Sorgen gemacht hatte.

Tränen stiegen in mir auf. So viele Menschen die sich um mich kümmerten. Ich lächelte. Ich war glücklich. Ich kuschelte mich an Tom. Er küsste mich sanft auf die Stirn. Im Hintergrund lief irgendein Lied aus der Stereo-Anlage.
Normalität kehrte wieder. Ich würde das  mit meinem Anfall bei nächster Gelegenheit meiner Psychiaterin erzählen.
Aber jetzt wollte ich erst einmal wieder normal sein.
Niels und Patrice setzten sich auf das Sofa und tranken Arm in Arm ein Bier zusammen. Sina und Annika hockten sich wieder auf dem Boden, während sie mich dennoch nicht aus den Augen verloren. Als ich sie anlächelte lächelten sie verlegen zurück und wandten sich dem Fernseher zu, um zu diskutieren, ob sie noch etwas zocken wollten
Und für Tom schien alles außer uns weit weg zu sein. "Ich hatte wirklich Angst dich zu verlieren", flüsterte er sanft. Ich küsste ihn. Er erwiderte meinen Kuss. "Ich will dich nicht verlieren", sagte er. Ich sah ihm in seine schönen braunen Augen. Ich sah es ihm an. Diese Angst, die er zuvor noch hatte. Diese Sorge um mich. Aber auch diese Liebe. Ich war ihm wirklich wichtig. Ich wurde rot und musste unwillkürlich lächeln. Er war mir doch auch wichtig. Der wichtigste Mensch in meinem Leben. "Wirst du nicht", versprach ich leise. Ich legte meinen Kopf an seine Brust und schloss die Augen. Er streichelte zärtlich meinen Rücken. Ich  gähnte leise und bemerkte wie müde ich eigentlich war. Nun... es war wahrscheinlich wirklich mitten in der Nacht und ich hatte die Nacht davor kaum geschlafen...
Und ehe ich mich versah war ich tatsächlich eingeschlafen.

Freitag, 27. September 2013

Kapitel 8: Entwichen

Die Stimmung war klasse. Wir gingen Mittags alle zusammen ans Meer und veranstalteten eine Schneeballschlacht und bauten einen riesigen Schneemann, bei dem nur noch die Jungs und Annika an den Kopf rankamen.
Wir aßen was es halt so zum essen gab, liefen bisschen durch's Dorf rum und zogen einige Blicke auf uns, als Tom mit Sina huckgepack durch die Straßen rannte.

Für den Abend hatten wir eine Flasche Bacardi, Cola und etwas Bier vorgesehen. Außerdem wollten wir alle Singstar spielen, was bei einigen Stimmen wirklich nur mit Alkohol zu ertragen war. Sina und Annika sangen beide einfach nur total schief, was sie nochmal ähnlicher machte als sonst schon.
Annika war ja nur zwei Jahre älter als Sina und etwa einen Kopf größer als ihre kleine Schwester, allerdings sahen sie sich schon vom Gesicht her total ähnlich. Allerdings hatte Annika viel längere Haare und Sina war etaws zierlicher.
"Aaaaalll I waneddd waasss yuuuuuuuu", gröhlten Annika und Sina höchst asynchron und Tom konnte sich vor Lachen kaum halten. Niels und Patrice saßen verdächtig nah aneinander und ich grinste sie etwas angetrunken an. Mann, so eine Bacardi Cola ist schon ziemlich stark!
Tom packte meine Hand und als ich ihn ansah küsste er mich bevor ich irgendwie reagieren konnte.
"Kuss geklaut!", lachte er und verwuselte mir meine ausnahmsweise perfekt sitzende Frisur. "Hey!", protestierte ich und küsste ihn, während er noch lachte. "So! Jetzt sind wir quitt!", sagte ich und lehnte mich an ihn an. Er nahm mich in den Arm.
Es wurde später. Ich bekam Lust zu singen und schnappte mir ein Mikro. Ich sang irgendein Lied, das ich wirklich noch nie gehört hatte und sang es super schön falsch und erfand eine andere Melodie dazu. Annika und Sina krümmten sich vor Lachen.
"Heeeeyyy.... wer hat Lust auf Wahrheit oder Pflicht?"
Meine Güte, wie betrunken war bitte Sina? Und ihre Schwester war auch nicht gerade besser.
Ich nahm Sinas Hand, und wollte versuchen es ihr auszureden, aber Patrice kam mir in die Quere. "Au jaaaaaa!! Wahrheit oder Pfliiiiicht!"
Eindeutig auch betrunken. Niels rülpste bestätigend. Ich grinste etwas gequält und seufzte. Na gut.
Tom nahm eine leere Bierflasche und legte sie unten auf den Boden. "Lasst uns Flaschendrehen! Mit Wahrheit oder Pflicht!"
Er fing an. Die Flasche zeigte auf Annika. "Anni!!!", rief Tom, "Wahrheit oder Pflicht?" Anni gluckste vergnügt. "Ich nehme.... Waaahrheit!"
Tom überlegte kurz. "Okay, hast du momentan was am Laufen?" Annika errötete leicht und antwortete schließlich: "Naja, schon, aber ist nichts ernstes." Dann nahm sie die Flasche und drehte sie. Sie zeigte auf Patrice. "Wahrheit oder Pfliiiicht!", zwitscherte Anni. Patrice zögerte kurz und entschied sich dann für Pflicht. Annikas Grinsen wurde breit. Sie lachte etwas unheilvoll.
"Küsse Niels auf den Muuund!", verkündigte sie singend. Patrice wurde rot, aber das konnte auch vom Alkohol kommen. Niels grinste sie erwartungsvoll an. Schließlich gab Patrice ihm einen schüchternen Kuss auf den Mund. Sina machte "Uiuiui"-Geräusche. Patrice kniete sich auf den Boden und drehte die Flasche. Die Flasche zeigte auf mich. Mist!
"Wahrheit oder Pflicht?", fragte sie mich. Äh... ähm... ääääääähhhhm...
"Pflicht", antwortete ich. Patrice sah mich an, sah Tom an und schließlich begutachtete sie zuerst den ganzen Raum bevor sie dann antwortete. "Dann... geh raus und nimm einen Stock mit", beschloss sie. Was war das für eine Aufgabe?
Aber froh, rausgehen zu dürfen stand ich auf und holte meine Jacke. "Wir warten hier!", trällerte Sina. Offensichtlich hatte sie keine Lust in die Kälte zu gehen. Ich nahm mir noch eine Taschenlampe mit und stapfte nach draußen.

Es war bestimmt mindestens -10°C draußen, aber es störte mich nicht besonders. Ich stellte die Taschenlampe an. Ich seufzte. Mein Hauch war sehr gut sichtbar. Irgendwie schön erfrischend, hier draußen. Man bekam den Kopf klar. Ich wurde irgendwie nüchterner. Gut, so viel hatte ich nun auch wieder nicht getrunken. Ohne dass ich es merkte war ich schon ein ganzes Stück gegangen. Vor mir war der Strand. "Puuhhh", machte ich und beugte mich um einen ziemlich großen Haufen Schnee in meine Hand zu nehmen. Der Schnee schmolz in meiner Hand. Der Schnee schmolz schneller als sonst, aber ich dachte mir nichts dabei. Und doch wurde ich aufmerksam, als ich merke, dass kein einzigerTropfen des geschmolzenen Schnees auf durch meine Finger sickerten. Es war, als hielte ich einen großen Wassertropfen in der Hand. Es sah aus wie bei einer Oberflächenspannung, was aber auch wieder nicht sein konnte. Das Wasser war flüssig. So viel stand fest. Es konnte nicht sein.
Ich ließ fast die Taschenlampe fallen. Ich starrte auf das Wasser und stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich die Hand umdrehen würde. Der Tropfen kroch bis zu meinen Fingerspitzen entlang. Blieb ein einziger großer Tropfen. Es war, als würden die gängigen Naturgesetze nicht gelten. An meiner Hand hing Wasser. Es war unbeschreiblich. Mein Herz pochte laut. Ich wusste nicht, was ich darüber denken sollte. Wie das möglich war. Ob ich mir das alles nur einbildete. Ob ich zu viel getrunken hatte.
Und dann... plötzlich wurde der Tropfen zu Eis. Ich ließ ihn fallen. Der Eistropfen fiel durch den weichen Schnee. Ich fühlte mich auf einmal so unwohl. Was ist das nur für ein Gefühl? Es hatte sich sehr seltsam angefühlt, als ich das Wasser berührt hatte... Als wäre es etwas Lebendiges, etwas, das einfach zu mir gehörte. Ein Teil meines Körpers... Das Gefühl, das Wasser einfach so in meiner Hand zu halten wirkte so natürlich für meinen Körper. Nur konnte ich es meinem Kopf nicht erklären. Ich wusste einfach nicht, was es war.
Ich merkte, wie ich nach Luft schnappte. Doch es war noch nicht so weit.
Ich starrte auf den Boden und plötzlich fiel mir etwas auf.

Fußstapfen vor mir, nur etwa einen Meter von mir entfernt. Der Schnee war vor mir sonst unberührt. Nur eine Fußspur. Und die führte nur bis dorthin. Zwei Stiefelabdrücke, die einen stehenden Menschen vor mir vermuten ließen. Doch genau da endete die Spur. Es war, als hätte sich der Mensch, dessen Spur es war plötzlich in Luft aufgelöst. Als hätte der Mensch nur dort gestanden. Etwas schweres und sehr kaltes lag in der Luft. Ich fühlte mich beobachtet. Wie das letzte Mal. Ausgeliefert. Ich stolperte zurück. Mein Herz raste. Ich hatte längst vergessen, was ich draußen überhaupt machte. Die Luft... sie entwich mir.

Sie entwich mir.

Das nächste, an das ich mich erinnern konnte war, dass ich vor dem Ferienhaus zusammenbrach, kurz bevor ich klingeln konnte, dass mir jemand aufmachte. Ich zitterte und meine Hände suchten nach einer Papiertüte in meiner Jackentasche, doch ich hatte momentan keine dabei. Warum hatte ich keine dabei? Achja, ich hatte sie im Haus kurz gebraucht... Mir wurde schwarz vor Augen.

Donnerstag, 12. September 2013

Kapitel 7: Freundin

Kalter Meerwind begrüßte mich, als ich den zugeschneiten Strand entlangstapfte. Meine Haare wehten chaotisch im Wind. Ich schnaubte einen nebligen Atem. Das Meer war nicht komplett zugefroren, aber viele  Eisschollen trieben auf dem Wasser.
Es war unser verlängertes Wochenende, das wir wegen einer Lehrerfortbildung hatten. Sina hatte vorgeschlagen ans Meer zu fahren, da Niels Familie ein Ferienhaus dort besaß. So sind wir mitsamt Sinas älteren Schwester Anni, die Auto und Alkohol bereit gestellt hatte hergefahren. Es war nur eine oder fast zwei Stunden Fahrt gewesen, aber es wirkte schon ganz anders. Ich emfand es als eine angenehme Abwechslung obwohl es schon bisschen seltsam war, mitten im Winter ans Meer zu fahren.
Das Meer... Ich hatte fast vergessen, welche magische Wirkung das Meer auf mich hatte.
Oder eher gesagt... alle Gewässer hatten irendwie eine magische Anziehungskraft auf mich.
Obwohl mir das Meer manchmal auch Angst machte.
Es war schwer zu beschreiben. Als ich klein war war ich ene gute Schwimmerin. Jedenfalls wurde mir das gesagt. So sehr erinnerte ich mich eigentlich nicht daran. Aber... irgendwie bin ich seit Jahren nicht mehr geschwommen. Ich hatte es sogar beinahe vergessen wie man schwimmt. Jedenfalls kam es mir etwas seltsam vor...
Der Schnee knirschte unter meinen Schuhen. Langsam würde sich die Sonne über dem Meer erheben. Es war erst sieben Uhr. Ich wusste ja selbst nicht, warum ich so früh aufgewacht war. Es war verdammt noch mal freitags. Donnerstag nachmittags waren wir losgefahren und angekommen. Am Abend hatten wir nen sehr entspannten Spieleabend, bei der wir Guitar Hero auf Niel's Wii gespielt hatten und nebenbei Lachsfillet (Sina unsere Vegetarierin hatte sich irgendetwas eigenes gemacht) gegessen hatten. Es war sehr fröhlich.
Es war diese Art Ablenkung, die ich dringend mal gebraucht hatte, um vor diesen irrationalen Ängsten loszukommen...

Und trotzdem. Irgendwie konnte ich nicht lange schlafen. Wahrscheinlich hatte ich den selben Traum wie immer, aber diesmal konnte ich mich nicht gut dran erinnern. Ich war allerdings mit einer Papiertüte am Mund zu Bewusstsein gekommen, also jah...
Am Horizont war der Himmel wunderschön rot. Leicht orange, aber vor allem rot. Ich hatte fast vergessen, wie sehr ich Sonnenaufgänge mochte. Ich atmete tief durch. Frei. So konnte man mein Gefühl beschreiben das ich gerade hatte.

Frei.

Plötzlich wurde ich auf eine Figur aufmerksam, die nicht weit von mir auf dem Boden saß. Leicht bekleidet, nur mit einer Jogginghose und einem weißem Top. Nur die Schuhe waren etwas wärmer. War ihr nicht kalt? Als ich näher kam erkannte ich sie.
Patrice sah gedankenverloren in die Ferne. Ihre hellbraunen Haare wehten sanft hin und her. Ich hockte mich neben sie. Sie schien mich ersteinmal nicht zu bemerken bis ich sie leicht antippte. Sie zuckte nicht zusammen, aber drehte den Kopf zu mir um. Ihre zweifarbigen Augen sahen mich unergründlich an.
"Pat... ist dir nicht kalt?"
Patrice antwortete nicht und richtete ihren Blick wieder auf die Ferne. Ich setzte mich ordentlich neben ihr Hin und zog meine Jacke aus. Ich hatte schließlich immerhin noch einen Pulli darunter an. Ich legte meine Jacke um sie.
"Du unterkühlst sonst noch", sagte ich.
Patrice öffnete den Mund, als wenn sie etwas sagen wollte, schloss ihn dann wieder. Dann sah sie mich noch einmal an. "Sag mal Anzu... hast du schon mal daran gedacht wie es wäre zu sterben?"
Diese Frage traf mich unvorbereitet.
"Wa... was? Ich..." Ich stotterte. Dann nahm ich tief Luft. "Warum fragst du mich das?"
Patrice sah lächelnd wieder zum Horizont. "Ich habe mal daran gedacht", sagte sie und streckte ihren linken Arm aus. Mir fiel auf, dass es eines der wenigen Male war, die sie keine Armbänder trug. Eine Narbe zog sich quer über das Handgelenk. Ich schwieg. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
"Es ist schon einige Jahre her", erklärte sie weiter, "ich war ziemlich dumm, aber was soll's... ich habe keinen Grund mehr einfach so... zu sterben." Ich sah sie nachdenklich an. "Weißt du Anzu", sagte sie, "ich habe euch echt alle sehr gern. Auch wenn ich's manchmal nicht so gut ausdrücken kann."
Ich nickte und lächelte. "Wir haben dich auch alle sehr gern Pat", sagte ich. Eine Weile schwiegen wir. Die Sonne kam langsam aus dem Horizont empor.
"Die Sonne geht auf", bemerkte Patrice. Sie lächelte. "Ja", lächelte ich zurück. Ob sie wohl sich gerne öfters den Sonnenaufgang ansah? Auch wenn wir befreundet waren, wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie wenig sie eigentlich über sich erzählte. Nur manchmal, wie jetzt, bekam man einen Einblick von ihr. Und trotzdem. Nichts würde verändern, dass sie ein toller Mensch war, der in unserer Gruppe unersetzbar war.

"Unsere Gruppe".
Es war, als hätte ich vergessen, wie wohl ich mich eigentlich bei ihnen fühlte. Es stimmte mich traurig und glücklich zugleich. Ein kalter Wind ließ mich etwas frösteln.
"Achja Anzu..."
Ich sah hinüber zu Pat. Sie sah mich etwas verlegen an und wurde etwas rot. "Meinst du... ich könnte eine Chance bei Niels haben?"
Ich starrte sie an und musste unweigerlich lachen. "He... hey!", protestierte Patrice, "warum lachst du?" Ich hörte langsam auf zu lachen und grinste breit. "Sorry", grinste ich, "aber du musst zugeben, du redest recht selten über Jungs, die dir gefallen. Sogar seltener als ich und das soll was heißen!"
Patrice lächelte unsicher. Ich hakte mich bei ihr ein. "Ganz bestimmt hast du eine Chance, so wie er dich immer ansieht!", antwortete ich ihr schließlich, "ich dachte sogar, dass ihr bereits zusammen seid, so wie ihr manchmal zusammen abhängt..."
Patrice grinste. "Er ist... cool", sagte sie schließlich. Ich umarmte sie ohne Vorwarnung. Mit leichter Verzögerung knuddelte sie mich zurück. Normalerweise war es Sina, die einfach so Leute umarmte, aber mir war danach.
"Wollen wir zurückgehen?", fragte ich schließlich." Pat nickte. "Okay."

Freitag, 3. Mai 2013

Kapitel 6: Paranoid

Nach meiner wöchentlichen nervigen Therapiesitzung beschloss ich  in dem einzigen Supermarkt der Innenstadt schnell etwas Brot einzukaufen und vielleicht noch herumzuschlendern. Es war immer noch so schnell dunkel. Nun... es war immerhin noch Januar...
Ich besorgte schnell das Brot und ging langsam und gedankenverloren durch die Straßen.
Vom Marktplatz aus waren es viele bogenförmige Straßen, die zu einer Hauptkreuzung führten. Ich kam auch an meiner Schule vorbei, die teilweise noch beleuchtet war. Leise hörte ich den Klang unserer Band-AG, die gerade probte.
Ich überlegte mir, ob ich auf Niels warten sollte, da er in der AG Gitarre spielte. Manchmal wartete er auf mich und ich auf ihn. Doch heute entschied ich mich dagegen. Ich sah ihn oft genug.
Also ging ich einfach weiter. Ich seufzte. Warum musste ich gerade heute meinen iPod zu Hause vergessen? Es war so langweilig durch die Kälte zu laufen, ohne Musik im Ohr zu haben.
Ein kalter Wind ließ mich frösteln. Der Schnee knirschte unter meinen Schuhen. Manche Wege waren leider nicht gut geräumt. Ich kickte etwas von dem Schnee nach vorne. Es blieb an meiner Stiefelspitze kleben.
Ich bließ eine Nebelwolke in die Luft.
Ich hasste die Therapien. Ich fühlte mich dadurch nicht unbedingt besser oder gar verstanden. Nach jeder Therapiesitzung fühlte ich mich nur etwas seltsamer. Jedes Mal fragte ich mich immer mehr, ob ich nicht ein etwas anderes Problem hatte. Auf den Ursprung meiner Träume und meines teilweise chronischem Gefühls zu ertrinken wollte man einfach nicht kommen. Außerdem gaben mir diese Termine das Gefühl ein kompletter Freak zu sein. Ne Irre. Oder ein Suizidopfer.
Es war ja nicht so, dass ich mir wünschte zu ertrinken.
Es war nur dieses Gefühl, das ich ertrank. Jeden Tag ein bisschen mehr. Selbst wenn ich alles tat das aufzuhalten. Ich hatte kein übles Leben. Ich hatte gute Freunde, ich hatte Tom. Ich war glücklich.
Doch irgendetwas in mir drin starb weiter und es hatte nicht den Anschein als könnte ich irgendetwas dagegen unternehmen.
Was für ein Gefühl war es zu ertrinken? Ein Gefühl der Hilflosigkeit, Starre, Apathie? So etwas in der Art ist es vielleicht. Und gleichzeitig diese Panik. Ausbrechen zu wollen, irgendwie... irgendwie.
Manchmal wollte ich einfach nur schreien, hören, dass ich noch lebte. Irgendetwas tun, dass ich wusste, ich war nicht tot.
Vielleicht war ich ein Emo. Manchmal machte es mir viel zu viel Spaß traurig zu sein oder melancholisch durch die Gegend zu schauen.
Zu leicht beschwerte ich mich über Sachen, ohne dass sie mich wirklich störten. Ich meine... ich habe fast immer sturmfrei. Normale siebzehnjährigen würden doch irgendwie eine Party schmeißen, oder? Außerdem habe ich einen Freund, der auch gern mal bei mir übernachten könnte. Nicht dass er es nicht manchmal tat. Aber egal.
Ich wollte manchmal irgendetwas machen. Mein Alltag ertrank im Grau, die Konversationen mit anderen Leuten wirkte mir so oberflächig und am Ende könnte mich ohnehin niemand verstehen.
Vielleicht sollte ich wirklich Emo werden. Die schwarzen Haare und den Pony hatte ich ja schon mal.

Schritte. Ein Knistern.

Ich schnappte nach Luft. Mir war irgendwie schwindelig. Doch es war nicht mein Kreislauf oder so. Irgendetwas stimmte nicht. Ich spürte es. Irgendetwas sagte es mir. Mein Herz pochte so laut, dass ich es hören konnte. Ich ging langsam weiter. Ich hörte das Knirschen meiner Schritte. 1, 2, 3,4... ich zählte meine Schritte. Passte auf jeden Schritt auf. Irgendetwas stimmte nicht. Ich wusste es. Ich versuchte regelmäßig zu atmen und ging etwas weiter nach links. Ich zwang mich, langsam und bedächtig zu gehen und nicht zu rennen.
Knirsch.

Ein Knirschen zu viel. Ich drehte mich um. Niemand war da. Warum hatte ich nur das Gefühl, dass mich jemand verfolgte? Ich atmete tief durch. Ich war kurz davor gewesen... Ich sah auf dem Boden. Ich sah nur die Fußspuren von mir und von anderen Menschen die wohl diesen Weg an dem Tag gegangen waren. Da war nichts ungewöhnliches. Es war wohl eine Einbildung. Warum passierte mir so etwas immer öfter? Ich war eindeutig ein paranoides... Etwas. Das konnte nicht sein. Was zum Teufel stimmt nicht mit mir?

Ich sah noch einmal um mich. Niemand weit und breit. Die Straßenlaternen flackerten normal ihr Licht auf die kleine Straße... Das wird es gewesen sein. Ein flackender Schatten, den ich irgendwo wahrgenommen hatte...
Trotzdem fühlte ich mich nicht sehr wohl. Ich ging etwas schneller und passte auf, dass ich nicht im Schnee und Eis ausrutschte.



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Samstag, 23. März 2013

Kapitel 5: Vergangenheit

Es waren nun einige Wochen vergangen, seit ich den komischen Traum von dem Mädchen mit den langen blonden Zöpfen hatte. In der Zeit hatte ich nichts weiter geträumt außer die alten Träume über's Ertrinken. Langsam schien es fast, als würde ich mich daran gewöhnen. Wobei die Vorstellung grausam war, sich daran zu gewöhnen, langsam zu sterben.
Wann hatten diese Träume überhaupt angefangen? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern. Doch ich hatte sie schon sehr lange. Als ich klein war, war ich nachts weinend aufgewacht, ohne mich an den Traum zu erinnern, der mich verfolgte. Seit ich ungefähr zwölf war schien es mir, als würde ich jede Nacht mit diesem Traum sterben. Ich erinnerte mich nach dem Aufwachen an immer mehr Details meines immer wieder kehrenden Albtraums und selten träumte ich etwas anderes. Es gab Zeiten, an denen ich Angst hatte zu schlafen. Mit vierzehn oder so hatten meine Eltern zur regelmäßigen Therapie geschickt. Doch wirkliche Erfolge hatte ich nie erzielt. Meine Therapeutin Dr Starson hoffte irgendein wahres Ereignis aus meiner Kindheit herauszufinden. Aber ich war nie ertrunken oder hatte Ereignisse erlebt, die dem ähnlich waren. Doch... es war so ein Gefühl, als würde mir mein Instinkt irgendetwas damit sagen.
Es war schwer zu erklären, welches Gefühl es war. Ich fühlte mich so oder so schon abnormal genug. Selbst wenn ich Freunde hatte, die alle auch nicht gerade alle Tassen im Schrank haben.
Sina zum Beispiel hatte einen ziemlichen Wahn zum Fitness und joggte täglich mehrere Kilometer.
Patrice hatte erst seit etwa zwei Jahren aufgehört sich zu ritzen, was mich sehr überrascht hatte, als sie das erzählte.
Niels... naja, war eher so ein komischer eigenbrötlerischer Typ, der furchtbar lieb zu allen war und beinahe ein Nerd wie es im Buche stand.
Und Tom... er war vielleicht der einzige Perfekte bei uns. Er hatte es wahrscheinlich nicht leicht, da er nie seinen Vater kennengelernt hatte und so nur mit seiner Mutter aufgewachsen war. Aber das hat ihn zu jemand gemacht, der fürsorglich, verantwortungsbewusst und treu war. Ich kannte ihn schon seit Langem, noch als er noch nicht in unserer zugegeben schicken Gegend wohnte. Damals wohnte er etwas außerhalb und musste 20 Minuten mit dem Fahrrad fahren oder 13 Minuten mit dem Bus zur Schule fahren. Das war jetzt nicht so viel, aber wir wohnten schließlich auch in einer kleinen Stadt.
Seine Mutter hatte ihn in der Grundschulzeit fast immer hingebracht und abgeholt, ihre Arbeitsstelle war ganz in der Nähe.
Wir gingen also in dieselbe Grundschulklasse. Anfangs hatten wir uns nur gegenseitig geärgert. Doch das änderte sich, als wir nebeneinander gesetzt wurden. In der Pause holten wir unsere Brotdosen hervor und mussten feststellen, dass auf unseren Brotdosen Charaktere derselben unbekannten Kinderserie drauf waren, die wir sehr mochten. Ansonsten hatte nämlich keiner die Serie gekannt. Dann hatten wir uns darüber unterhalten und mehr Gemeinsamkeiten gefunden. Wir hatten angefangen öfter zusammen zu spielen und ehe wir uns versahen waren wir auch beste Freunde.
Als wir in die dritte Klasse kamen, bekam seine Mutter eine höhere Stellung, weshalb sie sich schließlich die Wohnung in unserer Gegend leisten konnten. Wir waren überglücklich, dass wir fast Nachbarn waren. Als wir ins Gymnasium kamen, lief's zwischen uns nicht mehr so gut. Wir waren zwar immer noch Freunde aber besonders zwischen der fünften und achten Klasse hatten wir uns ziemlich oft gestritten. Immer hatten wir uns wieder versöhnt, aber es war eine kritische Zeit. In der Zeit freundete er sich mit Niels an und ich war sehr eifersüchtig auf ihn. Gleichzeitig jedoch war ich in so einer Art Mädchenclique, von denen Tom viele überhaupt nicht mochte. Sina war auch dabei und war damals wirklich anders: sie war eine blonde Barbie, die auch noch Tennis spielte. Irgendwie der Inbegriff eines Snobs. Und das mit damals noch elf/zwölf Jahren. Trotzdem hatten wir uns total gut verstanden und irgendwann mit dreizehn/vierzehn sah sie auch ein, dass ihr dieser Snob-Kram nicht stand.
In der achten Klasse flogen Sina und ich aus der Clique. Und das, weil Sina anfing sich für Tierschutz zu interessieren und allen wohl mit ihrem Weltverbesserer-Tick auf den Keks ging. Und ich flog von der Clique, weil ich Sinas beste Freundin war.
Wir waren vierzehn, fast in der neunten Klasse. Spätestens jetzt kam jeder in die Pubertät oder erreichte eine kritische Phase. Sina hatte sich total in Tom verschossen und bettelte jedes Mal, ich sollte sie mit ihm verkuppeln. Tom und ich allerdings waren mehr oder weniger im Streit, da ich mich nicht mit Niels verstand und Tom Sina immer noch für eine verwöhnte reiche Prinzessin hielt.
Dies änderte sich dann aber irgendwann bei einer Klassenfahrt in der neunten Klasse. Keine Ahnung mehr wie genau, aber plötzlich waren wir alle gute Freunde. Sinas Verknalltheit in Tom hatte sich gelegt und sie war für ihn auch keine unausstehliche reiche Göre mehr.
Und nun waren wir in der elften Klasse. Das hieß, wir waren in der Oberstufe und unser Abitur lag nur noch ein Jahr in der Zukunft. Wir hatten unsere Leistungskurse gewählt und eine neue Freundin gewonnen. Patrice.
Als sie zum ersten Mal die Tür in unserem Physikraum betrat dachte ich, sie hätte sich verlaufen. Es war Sommer, wir trafen uns mit dem Physik-Leistungskurs. Augenscheinlich waren alle irgendwie Nerds oder Streber. Wir waren nur vier Mädchen. Da kam ein fünftes Mädchen in den Raum, im kurzem Jeansmini, Chucks, einem schwarzem Top und Jeansjacke, die sie nicht auszog. Dazu trug sie eine lange silberne Kette mit einem Vogelkäfig daran. Ihre langen brünetten Locken wirkten beinahe divahaft und hatte dunklen Lidschatten aufgetragen. Dazu noch diese große braune Handtasche... Sie wirkte nicht wie eine typische Physikleuchte und zu allem Überfluss setzte sie sich auch noch neben mich. Alle hatten sie nur fasziniert angestarrt, bis sie allgemein in die Runde sagte: "Hi, ich bin Patrice. Wenn ihr noch nie ein Mädchen gesehen habt, macht doch ein scheiß Foto von mir!" Einerseits war das schlagfertig, aber auch irgendwie arrogant und genauso verhielt sie sich meistens, wenn sie nicht gerade dabei war zurückhaltend und still zu wirken.
Niels, Tom, Sina und ich mochten sie am Anfang deswegen auch nicht, aber irgendwie war sie auch immer in unserer Nähe, ohne irgendetwas zu sagen. Sie gehörte keiner Clique an und wirkte nicht so, als würde sie sich überhaupt eingliedern wollen. Doch gute Noten schrieb sie. Sie hielt es zwar geheim, doch als ihre Sitznachbarin sah ich, dass sie in Physik laufend 15 Punkte in Klausuren bekam.
Und da sie uns persönlich nie beleidigt hatte, sondern irgendwie nur bisschen gestalkt und uns manchmal sogar bei Schulaufgaben geholfen hatte, gehörte sie irgendwann auch zu uns. Sie redete immer noch ungern, aber wir hatten auch ihre guten Seiten an ihr gefunden. Sie war zuverlässig, wenn es darum ging Geheimnisse für sich zu behalten, war eigentlich ziemlich großzügig und nicht nachtragend. Außerdem besaß sie irgendwie einen schön trockenen Humor und eine makabere Art, für die wir sie besonders ins Herz geschlossen hatten.
Vor einiger Zeit hatte sie uns erzählt, dass sie sich mal geritzt hatte. Doch warum hatte sie uns nicht erzählt. Irgendwie war sie rätselhaft,  irgendwie aber auch ziemlich cool.

Bei der Erinnerung an die erste Begegnung mit Patrice musste ich grinsen. Ja, wir waren schon ein lustiger Haufen, der wegen den kranken Eigenarten von jedem total gut zusammenpassen. Fast wie eine Familie... Ich seufzte. Es war Donnerstag, was hieß, dass ich mal wieder zur Therapeutin musste. Nach einem langen Schultag war es fast eine Zumutung, doch andere Termine würden entweder Dr. Starson oder mir nicht passen. Und so machte ich mich direkt nach der Schule, um 16 Uhr auf den Weg zu einer weiteren Therapiesitzung, die mal wieder nichts bringen würde...